Drei Fünftel aller Neuronen eines Kraken befinden sich in den Armen. Jeder Arm des Oktopus trifft Entscheidungen, basierend auf dem körperlichen Verstehen seiner Umwelt; außerhalb der gängigen Aufteilung von Körper und Gehirn. Die Arme sind „selbst“ und „nicht-selbst“ zugleich. Sie sind Akteure ihres eigenen selbst, nicht immer mit jedem selbst übereinstimmend, doch als ein Ganzes operierend; zu einem Teil selbstständige Wesen.
Es benötigt mehr als einen Menschen, um ein Oktopus zu werden und der Umwelt neu zu begegnen. Acht Menschen sind durch ein Band über einen zentralen Punkt aneinandergeknotet. Allen werden die Augen verbunden. Eine Stunde lang bewegen sich die Individuen in einem gemeinsamen Körper durch einen Raum; alleine, zu zweit, zu dritt; sich berührend, verknotend, ziehend. Dabei wird der Fokus für eine gezielte Körperwahrnehmung phasenweise und musikalisch gelenkt: Kennenlernen, Anheben, Desorientierung, Lenken, Synchronisierung und zur Ruhe kommen. Diese Phasen setzen einen jeweiligen Fokus auf bestimmte Interaktionen und Körperwahrnehmungen. Ziel ist es, zwischen den unterschiedlichen Wahrnehmungen differenzieren zu können. Denn erwartungsgemäß ist die Erfahrung die gleiche, aber nicht dieselbe.
Octopoda – Anaïs Nyffeler